Tuesday, September 30, 2008

Wesen und Unwesen des Atheismus

Das Problem, das ich mit dem Atheismus habe, ist, dass er weder Antworten noch Alternativen bietet.

Zur Begriffsdefinition: wortwörtlich verweist der Begriff "Atheismus" lediglich auf die Abwesenheit eines Gottesglaubens, was ihn sicherlich noch lange nicht antireligiös oder antispirituell macht. Im Gegenteil: es existiert eine Vielzahl religiöser und spiritueller Traditionen, die ohne den Glauben an einen personalen Schöpfergott auskommen. Buddhismus, Neuplatonismus oder die indische Brahman-Atman-Lehre seien hier nur als Beispiele genannt.

Das ist es allerdings nicht, was wir heute in der Alltagssprache gewöhnlich mit dem Wort "Atheismus" umschreiben. Wenn wir in der Alltagssprache von Atheismus reden, meinen wir damit in der Regel eine Art Materialismus oder Physikalismus, also eine Weltanschauung, die die gesamte Realität als eine Ansammlung toter, solider Materieklumpen betrachtet, welche determiniert von ehernen "Naturgesetzen" einen sinnlosen Reigen durch´s Vakuum ausführen.

Das kann ja von mir aus glauben, wer will, bestehend bleibt aber das Problem, dass dieser atheistische Materialismus der abendländischen Moderne mit einem durch und durch überholten, atomistischen Materiebegriff arbeitet, wie er in der Antike schon bei Leukipp und Demokrit vorkommt, bei Descartes mit seinem Radikaldualismus weitergesponnen wurde und seinen vorläufigen Höhepunkt (oder Tiefpunkt?) in den materialistischen Anschauungen der Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts fand. Dass dieser Materiebegriff, wenn er denn als ontologischer Unterbau eines kompletten Welterklärungsversuches dient, zu schier unlösbaren philosophischen Problemen führt, ist dabei im Kontext dieses Beitrags hier noch fast nebensächlich.

Viel wichtiger ist mir zunächst einmal die Tatsache, dass sogar in der Naturwissenschaft selbst (welche ja von Atheisten gerne so großmäulig heraufbeschworen wird) ein solch atomistischer Materiebegriff allerspätestens seit Einstein überwunden ist und von modernen quantenmechanischen Theorien erst Recht ad absurdum geführt wird. Schade eigentlich, dass sich dieser Umstand noch nicht zu den Heerscharen jener Atheisten herumgesprochen hat, die sich so wonnevoll selbstgerecht als die Vorreiter einer wahrhaft rationalen und wissenschaftlichen Weltsicht wähnen.

Nur um keine Missverständnisse hervorzurufen: Ich distanziere mich klar von jener Art esomodischer Quantenmystik, welche neuerdings versucht, jeden verkitschten New-Age-Mist mit hippen Schlagwörtern wie "Quantenphysik" zu rechtfertigen. Relativ sicher fühle ich mich allerdings dennoch mit der Aussage, dass ein Materialismus, welcher auf einem zeitgemäßen und tatsächlich wissenschaftlichen Materiebegriff aufbaut, sich (logisch und konsequent zu Ende gedacht) eigentlich früher oder später selbst übersteigen und auflösen müsste.

Faktum bleibt, dass der moderne abendländische Atheismus historisch wie auch inhaltlich betrachtet nichts weiter ist, als ein verstümmelter Geist-Körper-Dualismus, der in allen wesentlichen Punkten, einschließlich des Zeit-, Natur- und Materiebegriffs, mit dem Cartesianismus übereinstimmt und sich nur und ausschließlich darin von ihm unterscheidet, dass er alles auf der "Geistseite" der dualistischen Trennlinie aus ideologischen Gründen leugnet, respektive auf ein Epiphänomen des "toten", "materiellen" Pols zu reduzieren trachtet.

Wenn wir also mal als gegeben voraussetzen, dass die moderne abendländische Mainstream-Religiosität bis über beide Ohren im cartesischen Dualismus verwurzelt ist - und ich zögere keine Sekunde, das als gegeben vorauszusetzen -, dann offenbart sich uns ein sehr klares Bild davon, wie denn das Verhältnis zwischen moderner okzidentaler Religion und modernem okzidentalem Atheismus geartet ist:

Es sind zwei Seiten derselben Medaille!

Und eben dies ist auch der Grund, weshalb der Atheismus sich bis zum heutigen Tage unfähig gezeigt hat, irgendeine ernstzunehmende Religionskritik hervorzubringen, die über das altbekannte Feindbild des cartesisch-augustinischen Christentums mit seinem dualistischen Gott-Welt-Verständnis hinausreichen würde. Eben dies ist der Grund, weshalb auch solche vordergründig gebildet erscheinenden Populisten und Dummschwätzer wie Richard Dawkins und Konsorten niemals eine Religionskritik hervorbringen werden, die einen Anhänger der Mystik, der klassischen Esoterik oder einer nondualen Weltauffassung auch nur ankratzen könnte.

Jeder, der in der Lage ist, auch nur einen kleinen - aber radikalen - Schritt zur Seite zu wagen, heraus aus den vermeintlichen Gewissheiten des institutionell an-dressierten cartesischen Wirklichkeitsparadigmas, wird diesen Sachverhalt mit aller Schärfe und in befreiender Klarheit erkennen.

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