Saturday, September 6, 2008

Was ist spiritueller Anarchismus?

Anarchismus im klassischen Sinne bezeichnet üblicherweise eine politische und soziale Philosophie, deren Anhänger die Legitimität von menschlicher Macht und Herrschaft über andere bestreiten, vor allem wenn diese Machtausübung mit Zwang und Gewalt einhergeht bzw. nur durch diese Instanzen aufrechterhalten werden kann. Klassische Anarchisten streben als Ideal die herrschaftslose Gesellschaft an, in der das Individuum in völliger Entscheidungsfreiheit handelt, ohne durch äußere, menschliche Autoritäten eingeschränkt zu werden. Diese Entscheidungsfreiheit erfordert natürlich auch ein enorm hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Gerechtigkeitsempfinden, damit die Anarchie nicht in Chaos und Willkürherrschaft der Starken über die Schwachen umschlägt.

Mit dem Titel dieses Blogs "Spiritueller Anarchismus" beziehe ich mich dementsprechend folgerichtig auf einen Zugang zu Spiritualität und Religiosität, der von Individualismus, Eigenverantwortung und Skepsis gegenüber traditionellen religiösen Institutionen geprägt ist. Dort, wo die etablierten Lehren und historisch gewachsenen Traditionen oft als Rechtfertigung für Herrschaftsideologien missbraucht wurden und werden, dort wo "Religion" im herkömmlichen Sinne oft nichts weiter ist, als eine bequeme Ausrede, um sich als Einzelperson keine tieferen Gedanken über Sinn und Unsinn des Status Quo machen zu müssen, dort widersetzt sich der spirituelle Anarchist Dogma und Volksverdummung durch eigenständiges Denken und Sinnieren, durch Reflektieren der persönlichen Erfahrungswelten und das verantwortliche Einstehen für die eigenen Überzeugungen.

Philosophische Paradoxa haben ebenso wie die naturwissenschaftliche Forschung der letzen 100 Jahre (und hier besonders die Quantenmechanik, die allgemeine Relativitätstheorie und die Teilchenphysik) die eklatanten Mängel eines materialistischen Weltbildes offengelegt. Die mittlerweile fast schon altehrwürdige Tradition der Parapsychologie hat in den zahlreichen Jahrzehnten ihres Bestehens einen regelrechten Berg anomaler Daten ans Tageslicht gezerrt, die sich mit den althergebrachten mechanistischen Konstrukten des 18. und 19. Jahrhunderts nicht mehr hinreichend erklären und beschreiben lassen. Formal hochgebildete Wissenschaftler wie David Bohm, Rupert Sheldrake und Hans-Peter Duerr sinnieren über Holismus, Mystik und nondualistischen Weltbildern, während die reflektierteren Elemente des Neopaganismus hochinteressante Vorstellungen diskutieren, wie diesseits-bejahende Naturreligion der urban-industriellen, nihilistischen Konsumgesellschaft als positiver Kontrast gegenübergestellt werden könnte.

Kurzum: Die Deutungshoheit für spirituelle Lebensführung und nicht-materialistische Weltanschauung ist den traditionellen Großreligionen und ihren Kirchen, Gurus und Führergestalten längst entrissen worden. Selbst die oftmals kommerzielle, obrigkeitshörige und (zu Recht) vielgescholtene New-Age-Esoterik kann glücklicherweise längst kein Monopol auf alternative und außerchristliche Religiosität mehr erheben.

"Spiritueller Anarchismus" bedeutet, von dieser nie dagewesenen Freiheit auf wohlreflektierte und eigenverantwortliche Art und Weise Gebrauch zu machen. Am Anfang der Reise steht für mich als Einzelperson die Beobachtung, dass Spiritualität und die Suche nach Transzendenz (einschließlich Selbsttranszendenz) anthropologische Konstanten darzustellen scheinen. Es ist die Überzeugung, dass jedem Menschen ein spiritueller Impuls innewohnt, die mich auf den Pfad des spirituellen Anarchisten geführt hat, einhergehend mit dem unbedingten Willen diesem Impuls auf authentische und unverzerrte Weise Ausdruck zu verleihen.

Machen wir uns also auf zu einer Welt, in der religiöses Dogma und atomistischer Atheismus nicht länger die einzigen Alternativen darstellen. Spiritualität ist Selbstbefreiung und als solche keine Antithese zum Anarchismus, sondern untrennbar verwoben mit dem individualistischen Ideal einer lebenswerten, selbstbestimmten Existenz.

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