Wednesday, August 5, 2009

Heidnisch! Warum?

Wenn ich über meine eigene private Form von Religiosität sinniere, verspüre ich immer wieder die unwiderstehliche Tendenz mich selbst als "heidnisch" zu bezeichnen. Da ich mit dieser Selbstbezeichnung allerdings nicht alleine dastehe und mit dem sogenannten Neopaganismus sogar bereits seit Jahrzehnten eine greifbare spirituelle Subkultur in unserer westlichen Gesellschaft existiert, deren Mitglieder sich als "Heiden" bezeichnen, sehe ich es für angebracht, mal für mich selbst und jedweden interessierten Leser zu klären, in welchem Kontext ich mich als "heidnisch" begreife.

Um es ganz konkret auf den Punkt zu bringen, ich verspüre nicht allzuviele Affinitäten gegenüber irgendwelchen konkreten neuheidnischen Strömungen wie etwa Wicca, Asatru oder keltisierenden Neodruiden. Noch viel weniger halte ich von Odin-brüllenden, met-saufenden Wikingerreenactors, kitsch-esoterisch weichgespülten Mittelaltermarkt-Hexen und ähnlichem romantisierenden Szene-Gesindel, das im Alltag einem durch und durch bürgerlichen 08/15-Lebensentwurf frönt, aber denkt, es sei „heidnisch“, weil es flammende Glaubensbekenntnisse auf irgendwelche Wesenheiten ablegt, die es für „die Götter unserer Vorfahren“ hält.

Vielmehr ist es so, dass ich schlichtweg die Idee interessant und reizvoll finde, in den generellen Denkungsarten, Wahrnehmungsmodi und der überlieferten Mythensprache sogenannter naturreligiöser Kulturen legitime Alternativen zu dem Einheitsbrei sowohl christlicher als auch materialistischer Ideologien der vergangenen Jahrhunderte zu sehen.

Denn wer erst einmal erkannt hat, dass sowohl gegenwärtige christliche Attitüden wie auch die zeitgenössischen Spielarten des Atheismus eigentlich beide gleichermaßen bis über beide Ohren in der exakt selben dualistischen, transzendentalen Weltanschauung verwurzelt sind (die einen in der Bestätigung, die anderen in der Verleugnung des Transzendenten), dem wird sich auch bald erschließen, warum ein radikaler Perspektivwechsel hin zu einer Sichtweise der Realität, die sich nicht in den Dualismen der Aufklärungszeit erschöpft, in mancherlei Hinsicht erfrischende Alternativen zu festgefahrenen Sichtweisen offenbart.

Es ist in diesem und in keinem anderen Kontext, dass ich mich selbst als „heidnisch“ sehe.

P.S.

Es ist allerdings auch in exakt diesem Kontext, dass ich mich für vormodernes Christentum und die nondualen Weltbilder des Ostens interessiere. Also, ihr Heiden aller Länder: Tut das, was ich selbst tue und nehmt mein Bekenntnis zum Heidentum bitte nicht allzu ernst. Dass ich wirklich einer von Euch bin, steht keinesfalls in Stein gemeißelt.