Tuesday, August 2, 2011

Ohne Worte

Manche Aussagen entfalten ihre Wirkung am besten, wenn man sie unkommentiert stehen lässt...


""When I reached intellectual maturity and began to ask myself whether I was an atheist, a theist, or a pantheist; a materialist or an idealist; Christian or a freethinker; I found that the more I learned and reflected, the less ready was the answer; until, at last, I came to the conclusion that I had neither art nor part with any of these denominations, except the last. The one thing in which most of these good people were agreed was the one thing in which I differed from them. They were quite sure they had attained a certain "gnosis,"–had, more or less successfully, solved the problem of existence; while I was quite sure I had not, and had a pretty strong conviction that the problem was insoluble.

So I took thought, and invented what I conceived to be the appropriate title of "agnostic." It came into my head as suggestively antithetic to the "gnostic" of Church history, who professed to know so much about the very things of which I was ignorant. To my great satisfaction the term took.""

Thomas Henry Huxley

Saturday, January 15, 2011

Eine Kritik der völkischen Ideologie

Nachdem ich mich in vergangenen Beiträgen ja bereits mehrfach zu einer gewissen geistig-kulturellen Nähe zum Neopaganismus bekannt habe und auch schon einmal das Problem der Vereinnahmung des neuen Heidentums durch völkische Kreise angesprochen habe, sehe ich es nun an der Zeit, mal ein paar Worte Klartext zu reden und offen darzulegen, warum ich weder mit völkischem Heidentum im Speziellen noch mit völkischer Weltanschauung im Allgemeinen irgendetwas zu tun haben will.

Ein großes Problem, das ich mit der völkischen Ideologie (noch vor Einbezug der zahlreichen politischen Aspekte) habe, ist zuvorderst, dass hier eine pseudowissenschaftliche Weltanschauung versucht, sich durch Vereinnahmung biologischer und human-genetischer Schlagworte einen Anschein von Wissenschaftlichkeit zu verleihen. Freilich, ohne diesem Schein bei näherer Betrachtung auch nur ansatzweise gerecht zu werden.

Fakt ist, dass das völkische Menschenbild zentral darauf basiert, sämtliche Bewohner unseres Planeten auf pseudobiologische und grob verallgemeinernde Art und Weise in vermeintlich klar voneinander abgrenzbare Kategorien (Völker, Rassen etc.) einzuteilen, welche in der Regel lediglich ein nationalromantisches Zerrbild der real nachweisbaren genetischen Unterschiede zwischen Menschen aus unterschiedlichen Ethnien darstellen. Auffällig ist hier, dass dabei Aspekte wie die fließenden Übergänge zwischen solchen Ethnien, die häufig starke genetische Heterogenität von Menschen ein und derselben Kulturgruppe oder die schon immer ausnahmslos in der Menschheitsgeschichte existente (und ohne jeden Zweifel auch in Zukunft immer weiter existierende) Migration und Durchmischung von Menschen auf allen denkbaren Ebenen (genetisch, kulturell, religiös etc.) von völkischen Theoretikern meist völlig verkannt und ignoriert werden. Stattdessen werden Grenzverläufe zwischen (vermeintlichen) Menschengruppen konstruiert, die mit der Realität des aktuellen humanbiologischen Forschungsstandes bestenfalls in marginalem Kontakt stehen, dafür aber eine verdächtige Ähnlichkeit mit den Grenzziehungen der modernen Nationalstaatlichkeit aufweisen.

Häufig geht die völkische Ideologie auch mit einem radikalen genetischen Determinismus einher, der den frisch zusammengeschusterten Menschenschubladen obendrein noch eine durch ihr "Blut" ererbte (ergo: genetisch vorprogrammierte) Neigung zu gewissen Kulturformen, Sitten, Gebräuchen, religiösen Vorstellungen etc. unterschieben will, was die zuvor konstruierten Grenzen zwischen den "Völkern" freilich noch beträchtlich festigt und zementiert.

Dazu bleibt festzuhalten, dass erstens schon die schiere Behauptung, komplexe soziale Verhaltensweisen, Kultur, Religion etc. seien genetisch determiniert, im allerbesten Falle eine vage und auf wackligen Beinen stehende Theorie darstellt, die sich weit entfernt davon befindet, "wissenschaftlich bestätigt" zu sein. Eher ist das Gegenteil der Fall. Und selbst wenn wir diese gewagte These mal für einen Augenblick hypothetisch als wahr annehmen, bleibt immer noch die Tatsache bestehen, dass Menschen gleicher ethnischer Abstammung lediglich eine verschwindend geringe Anzahl von Genen miteinander teilen - während ein hypothetisches "Kultur-Determinierungsprogramm" von derartiger Komplexität sein müsste, dass es niemals von der erwähnten lächerlichen Handvoll allgemein geteilter "Ethnien-Gene" abgedeckt werden könnte. Bei einem gänzlich in seinen kulturellen und religiösen Neigungen gen-determinierten Menschen würde daher wiederum automatisch ein Maß an Individualität ins Spiel kommen, das jeden völkischen Versuch ad absurdum führen würde, die gesamte betreffende Ethnie zu einem einheitlichen "Volkskörper" bestehend aus kulturell gleichgeschalteten "Rasserobotern" zu erklären.

Richtig lächerlich wird es dann, wenn dieses wissenschaftlich fragwürdige Menschenbild auch noch mit einem semi-okkulten Bioregionalismus verschmolzen wird, also der hanebüchenen Vorstellung, dass diese (ohnehin schon nicht in solcher Differenziertheit existierenden) Menschengruppen gewissermaßen "von Natur aus" in einen bestimmten geografischen Lebensraum gehörten. Es liegt natürlich auf der Hand, dass dieser krude Versuch, Fremdenfeindlichkeit und dümmlich-naiver Nationalromantik ein wissenschaftliches Mäntelchen umzuhängen, letzten Endes impliziert (und konsequent zuende gedacht auch zwangsweise implizieren muss), dass Menschen bestimmter "Volksgruppen" nichts in anderen Regionen zu suchen haben bzw. per definitionem "widernatürlich" handeln, wenn sie sich in anderen Regionen niederlassen, als in der, in die sie (wahlweise) der liebe Gott oder Mutter Natur hineingesetzt hat – und dies ist am allermeisten denjenigen bewusst, die solchen Geistesmüll nicht zuletzt aus politischem Kalkül in die Welt setzen.

Im Übrigen ist auch der neurechte Ethno-Pluralismus untrennbar mit diesem völkischen Menschenbild verwoben und behauptet, dass es im Wohle aller dieser vermeintlich so klar zu unterscheidenden Menschenschubladen sei, so weit wie möglich auf eine "Vermischung" der Ethnien und Kulturen zu verzichten, im hehren Bestreben die "Einzigartigkeit" der unterschiedlichen Gruppen möglichst authentisch zu bewahren. Abgesehen davon, dass das Postulat einer Kontinuität von ethnischer und/oder kultureller "Eigenart" aus wissenschaftlich-historischer Sicht lachhaft und unhaltbar ist (und genau genommen wohl nur einen Euphemismus für den "rassereinen Staat" darstellt), bleibt wohl noch zu bedenken, dass die konsequente politische und gesamtgesellschaftliche Anwendung des Ethno-Pluralismus eigentlich nur an einen Endpunkt führen kann: nämlich hin zu einer Gesellschaft, die von extremer Migrationsfeindlichkeit, Abschottungsmentalität und Apartheidspolitik dominiert wird.

Und dies alles freilich, ohne dass man sich durch Altnazi-Postulate von "überlegenen und unterlegenen Rassen" ins politische Abseits manövriert. Welch feuchter Traum für all jene angebräunten Gesellen (von der NPD über den CSU-Stammtisch bis hinein in die Kommentarspalten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung), die schon lange mal wieder aus tiefster Brust "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen" krakelen wollten, ohne diese politisch verfänglichen Slogans tatsächlich Wort für Wort über die Lippen bringen zu müssen. Tja, der Ethno-Pluralismus macht´s möglich...

Wer diese Hintergründe versteht und berücksichtigt, der hat sich bereits geistig ein ganzes Stück gewappnet gegen das Gros jener zahlreichen neurechten Verschleierungsstrategien, die alle primär zum Ziel haben, der demokratischen Gesellschaft vorzugaukeln, die Neue Rechte bestünde doch eigentlich aus ganz umgänglichen und vernünftigen Zeitgenossen (die im Gegensatz zu den "Gutmenschen" lediglich manchmal ein bisschen "politically incorrect" seien). Wir sprechen hier also deutlich gesagt von Strategien, die maßgeblich darauf abzielen, durch Verzicht auf das Postulat "rassischer" Überlegenheit einen de-facto-Rassismus mit starker Apartheids-Schlagseite formal unrassistisch erscheinen zu lassen.

Dass diese Strategien trotz aller Durchschaubarkeit auch im Mainstream der Gesellschaft immer wieder auf fruchtbaren Boden fallen, dürfte wohl niemanden ernsthaft überraschen, angesichts einer bürgerlichen "Mitte", die zu einem beträchtlichen Prozentsatz aus Sarrazin-Fans, Springer-Presse-Konsumenten und Man-wird-ja-wohl-noch-sagen-dürfen-ohne-gleich-Nazi-genannt-zu-werden-Rhetorikgenies besteht.

Ein geistiges Armutszeugnis für das "Volk der Dichter und Denker" ist diese scheinbare Unausrottbarkeit des Völkischen allemal und mit der Kultur, Lebensweise und Weltanschauung einer heidnisch-vorchristlichen Gesellschaft hat der ganze Spuk noch viel weniger zu tun.